Puppen, Bräute, Künstlerinnen
Eine Fundgrube für Requisiten und eine Inspirationsquelle für gesellschaftliche Betrachtungen: In der Stadtgalerie zeigen Berner Künstlerinnen ihre «Mitbringsel» von Atelieraufenthalten im Ausland.
Reisen, die nicht dem Handel, sondern nur dem Vergnügen dienten, waren lange Adel und höherem Bürgertum vor-behalten. Man schickte vorab die Söhne ins südliche Europa, auf dass sie sich an den Zeugnissen der Antike erbauen soll-ten. Noch heute heisst es, dass Reisen bildet. Dabei kommt es natürlich darauf an, wie und wohin man reist. Wer Erholung unter Palmen sucht, der bringt vielleicht nicht viel mehr mit als ein bisschen Sonnenbrand. Gewichtiger sind da die «Mitbringsel», die vier Berner Künstlerinnen aus Kairo, Genua und Prag mitgebracht haben. Jährlich vergibt die Stadt Bern in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Städtekonferenz Atelieraufenthalte in verschiedenen Ländern. Bewerben können sich Kulturschaffende aller Sparten. Stadtgalerieleiterin Anna Bürkli hat die letzten vier Stipendiatinnen aus dem Bereich Bildende Kunst eingeladen. Dass es sich dabei um vier Frauen handelt, ist laut Bürkli ein schöner Zufall.
Die Ausstellung sei nicht als Rechtfertigung gedacht, sagt Kuratorin Bürkli. Es geht nicht darum, skeptischen Politiker zu zeigen, dass Kunstschaffende in Auslandateliers nicht nur in der Sonne dösen. Wobei fraglich bliebe, ob diese Politiker sich von einer solchen Präsentation umstimmen lassen. Der Motor der Schau sind die Künstlerinnen, die zeigen wollen, was sie in den Gastateliers gemacht haben. Bislang gibt es hierfür kein festes Ausstellungsgefäss. «Viele Stipendiaten fühlen sich deshalb im Regen stehen gelassen», sagt Anna Bürkli. Die Ausstellung «Mitbringsel» zeigt nun, wie unterschiedlich die letzten vier Stipendiatinnen der Stadt Bern ihre Aus-landaufenthalte genutzt haben. Andenken an den geografischen Ort finden sich in den Arbeiten die Brigitte Lustenberger 2008 in Kairo und Urslé von Mathilde in Genua erstellt hat. Lustenbergers fotografische Stadtimpressionen sind eindrucksvoll als Fototapete an die Wand appliziert, bei Ursle von Mathilde fliegen architektonische Details wie Traumfetzen über Zeichenblätter. Nach verborgenen Schönheiten hat Gigga Hug im Spätsommer 2009 in Prag gesucht. Seit gut fünf Jahren fotografiert sie Puppen, die sie mithilfe von Spiegeln geheimnisvoll verletzlich aber auch bedrohlich inszeniert. Ihr Interesse gilt vor allem alten Porzellanpuppen mit ihrem seidigen, hautähnlichen Glanz. In den Trödelläden Prags fand Gigga Hug viele, neue Fotomodelle. Salome Bäumlin hat sich während ihres Kairo-Aufenthalts 2011 selber in Szene gesetzt. Auf inszenierten Hochzeitsbildern ist sie als Braut neben wechselnden ägyptischen Männern zu sehen, mal nach westlicher Mode dekolletiert, mal muslimisch verschleiert. Die Bilder erzählen von der Hochzeit als Schritt in eine Zukunft, die meist eng vorgespurt ist. Eine Assemblage von Teppichklopfern deutet an, was viele Frauen in konservativen Gesellschaften in der Ehe erwartet: Haushaltspflichten und oft genug auch häusliche Gewalt. Auch die Bildungsreisen früherer Jahrhunderte dienten in gewisser Weise der Ehevorbereitung. Schliesslich wurden die jungen Männer auch auf Reisen geschickt, um sich fernab der üblen Nachrede die Hörer abzustossen.
Alince Henkes, 3. Februar 2013, Der Bund