Hestia, 2020, Installation, Fototapete
Ausstellungsansicht, Kronos 2020, Bahnhof Le Noirmont
Foto: Olivier Noaillon

 

Hestia, 2020, Installation, Fototapete
Ausstellungsansicht, Kronos 2020, Bahnhof Le Noirmont
Foto: Salomé Bäumlin

Hestia, 2020, Installation, Fototapete Ausstellungsansicht, Kronos 2020, Bahnhof Le Noirmont Foto: Olivier Noaillon

 

Rauch, 2018, Fotografie

Zen-Kunst zwischen Bern und Marokko

In ihren Teppichen verknüpft Salomé Bäumlin traditionelles marokkanisches Handwerk mit ihrer eigenen künstlerischen Sprache. Über die Zen-Philosophie fand die Master-Studentin einen Weg, diesen Prozess nachhaltig und ganzheitlich zu gestalten.

Marokko und Zen in einem Satz, das klingt exotisch,fremd, unvereinbar. Doch hat sich die Kunst aller Länder stets im regen Kulturaustausch gegenseitig befruchtet und weiterentwickelt. So überschreitet auch die Künstlerin und Designerin Salomé Bäumlin Grenzen –um zu erkunden, was dazwischen entstehen kann. Schon länger setzte sich die 34-jährige Bernerin in ihrem Werk mit der arabischen Welt auseinander und träumte davon, Teppiche zu machen: «Mich interessiert der Teppich als Bildmedium und als sinnliches, haptisches Erlebnis im Raum.» Allerdings geht es ihr nicht nur um das Endprodukt, sondern auch darum, den Weg dahin bewusst zu gestalten und gemeinsam mit marokkanischen Handwerkerinnen eine kulturell nachhaltige Produktion aufzubauen.

Bei ihren Recherchen stiess sie im Fernen Osten auf einen möglichen Lösungsansatz. Die Philosophie des Zen beschreibt sieben Merkmale, die ein Artefakt zur Zen-Kunst erheben: Asymmetrie, Schlichtheit, Erhabenheit des Alters im Wandel, Natürlichkeit, Tiefgründigkeit, Freiheit von weltlicher Form und – als Summe aller Merkmale – innere Ruhe. Bäumlin überzeugte der ganzheitliche Gedanke, der darin steckt, und sie entwickelte aus den Merkmalen einen Fragebogen, der sie beim Prozess der Gestaltung und der Produktion der Teppiche anleitete. «Das Merkmal der Natürlichkeit bedeutet zum Beispiel, dass ich mit organischen Materialien und natürlichen Farben arbeite, berührt aber auch kulturelle Aspekte.» So stülpte Bäumlin den marokkanischen Partnerinnen nicht einfach ihre gestalterischen Vorstellungen über. Sie versuchte vielmehr, ihre eigene westlich-urbane mit der traditionellen Formensprache zu verbinden, die die marokkanischen Teppiche auszeichnen. Natürlichkeit heisst zudem, den Prozess offen und nicht zielorientiert anzugehen. Salomé Bäumlin verband in ihrer Master- Arbeit japanische Zen-Philosophie mit marokkanischem Handwerk. «Nicht alle meine Entwürfe konnten von den Handwerkerinnen technisch umgesetzt werden, und nicht immer verstanden sie, was ich genau möchte. Sie haben ihre eigenen Vorstellungen eingebunden.» Bäumlin musste lernen, zu akzeptieren, nicht die volle Kontrolle zu haben. «Eine Nebenwirkung dieser Herangehensweise», lacht sie, «ist nicht zuletzt, dass sie mich von meinem schweizerischen Perfektionsdenken entlastet.»

Ihre erste Kollektion aus fünf Teppichen, mit der sie den Master Design in der Spezialisierung Textiles dieses Jahr abschloss, erzählt spielerisch, bunt und sinnlich von diesem Austausch verschiedener Kulturen, von den damit verbundenen Spannungen, Widersprüchen und Brüchen – greifbar und doch nicht ganz erfassbar und damit reich an Assoziationsmöglichkeiten. Die Verleihung des mit 10’000 Franken dotierten Frauenkunstpreises 2014 würdigt deshalb Werk und Weg von Salomé Bäumlin in gleicher Weise und ermöglicht es ihr, ihre Arbeit mit den Frauen im Hohen Atlas Marokkos weiterzuführen und auszubauen.

Susanne Gmür, 2014,Stoff, aus dem Träume sind, Hochschule Luzern