Bruch, 2013, Wolle, 120 x 180 cm

 

Zwischen Bern, Kairo und Marrakesch

Salome Bäumlin erhält heute Abend den mit 10000 Franken dotierten Frau-enkunstpreis. ln ihren textilen Arbeiten lässt die 33-Jährige sich von orientalischer Handwerkskunst inspirieren.

Salomé Bäumlin ist eine umtriebige Künstlerin. Von ihren Erfahrungenim arabischen Raum erzählt sie in ihrer Wohnung im Berner Murifeldquartier. Regelmässig zieht es sie in den Orient, geleitet von ihrer Faszination für Teppichmuster und das traditionelle Handwerk. Ihr Atelier im Westen der Stadt befindet sich gerade halb im Umzug. Wohin? «Das ist noch unklar und hat noch Zeit.» Eben hat sie ihre Abschlussarbeit für den Master in Textildesign an der Hochschule für Kunst in Luzern eingereicht. Als Nächstes wird sie, die vor einigen Jahren ihr Kunstdiplom an der Hochschule der Künste er-angt hat, wieder für neun Wochen nach Marokko reisen. «Der Frauenkunstpreis kommt zu einem super Zeitpunkt», sagt Bäumlin. Die 10 000 Franken Preisgeld würden ihr die Finanzierung dieses Aufenthalts ermöglichen. Die Bernerin ist bereits die elfte Gewinnerin des seit 2001 vergebenen Preises. Stifter ist der Könizer Mattias Jungck, der den kantonalen Preis gründete, als ihm auffiel, wie viele Künstlerinnen immer noch im Schatten ihrer männlichen Kollegen stehen.

Traditionelles Handwerk

Bäumlins Faszination für den arabischen Raum begann in Paris. Hier hatte sie viele Migranten aus dem Maghreb kennen gelernt. Die viel verbreitete Islamophobie habe den endgültigen Ausschlag gegeben, herauszufinden, wie es wirklich ist. Prägend in Erinnerung geblieben ist auch die Zeit während eines Atelier-stipendiums in Kairo 2011. «Ich habe viel ausprobiert und den Teppich als Bildmedium wieder entdeckt.» Die Ursprungsidee ist ihr beim Anordnen von Licht-schalterblenden zu einem Raster gekommen. Ausgehend von diesem Muster, hat sie den ersten Teppich in Auftrag gegeben, einen, aufgrund der Webtechnik, sogenannten Kelim. Mehrmals ist sie seither nach Kairo zurück gekehrt. Aufgrund der politischen Situation hat sie sich im letzten Frühling wieder für Marokko entschieden. «Im Hohen Atlas ist das traditionelle Handwerk allgegenwärtig und die Teppichkultur besonders ausgeprägt.» Ihre Arabischkenntnisse erleichtern den Austausch mit den Berbern, doch die Kontaktpflege erfordert Geduld. Es sei jedes Mal erneut eine Herausforderung, dass die Teppiche wie gewünscht herauskämen. Ein kürzlich erstelltes Design-Alphabet mit verschiedenen Mustervorlagen eines Berberstamms soll Abhilfe schaffen. Während des anstehenden Marokko-Aufenthalts möchte die Künstlerin von den überlieferten Motiven wieder zu ihrer eigenen Motivsprache zu finden.

Symmetrien und Raster

Traditionelle Teppiche aus dem Orient erzählen eine Geschichte. Die verwendeten Muster verweisen auf die Herkunft der Besitzer und sollen Dämonen abweisen. In Bäumlins Eigenkreationen fliessen Fragmente des Alltags ein: So dienen ihr etwa Metro-Tickets oder fotografierte Häuserfassaden als Vorlagen. Ob in ihren Teppichen, Montagen oder Installationen Bäumlin geht es stets um Raster und Symmetrien und um den bewussten Bruch mit diesen. Einige ihrer Werke zeigt sie nun in der Galerie Archivarte. Und was bedeutet ihr die Auszeichnung? «Es ist schön, wenn man merkt, dass es bei jemandem ankommt. Das gibt Mut, den Weg weiterzugehen.»

Sonja Gasser, 6. Februar 2014, Berner Zeitung BZ